Creating Value from Data & AI: Strategie, Optionen, Priorisierung Einblicke in Forschungsergebnisse zur strategischen Wertschöpfung aus Daten
Vom nächsten großen LLM-Release wie ChatGPT 5 bis zu autonomen Agents, aktuell spricht jeder über Artificial Intelligence (AI). Bei der praktischen Adoption der Technologien bleibt der erhoffte Nutzen jedoch häufig aus. In vielen Unternehmen kommen Daten- und AI-Initiativen nicht über Pilotphasen hinaus, während andere gänzlich scheitern (Estrada 2025; Haefner et al. 2023).
Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die derzeitige Begeisterung oft zu sehr auf Technologien fokussiert und grundlegende geschäftliche Problemstellungen ausblendet. Letztendlich sollte das Ziel jeder Daten- und AI-Initiative darin bestehen, strategischen Geschäftswert zu schaffen, der Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann (Grover et al. 2018). Hierfür benötigt es einen Perspektivwechsel hinzu den grundlegenden Daten-Assets und dem Ausschöpfen ihres inhärenten Potenzials, unabhängig von den eingesetzten Analysetechnologien wie Business Analytics, traditioneller oder generativer AI, gemäss dem Grundsatz: AI als Mittel und Data Value Creation als Ziel.
Dieser Blogbeitrag stellt den Forschungsbereich „Wertschöpfung aus Daten und AI“ des Competence Centers Future Financial Services vor, indem wir anwendbare Tools entwickeln, die Unternehmen helfen, strategischen Wert aus Daten und AI zu heben.
Ausgangslage in Praxis und Wissenschaft
Während Daten häufig als das «neue Öl» bezeichnet wurden, haben sie sich von einem blossen Nebenprodukt wirtschaftlicher Aktivitäten zu einem strategischen Vermögenswert von unternehmensweiter Bedeutung entwickelt (Legner et al. 2020). Jenseits des AI-Hypes besteht unter Führungskräften seit Jahren Einigkeit, dass durch die wertstiftende Nutzung von Datenanalysen ganze Geschäftsmodelle transformiert werden können (Gartner 2018). Das Wissen über das strategische Geschäftspotenzial von Daten ist längst in der Praxis angekommen, beispielsweise geben 42 % befragter IT-Fachkräfte an, AI in ihren Unternehmen einzusetzen, während weitere 40 % die Einführung prüfen (IBM 2023). Entsprechend werden Unternehmen seit geraumer Zeit von Ideen zur Wertschöpfung aus Daten und AI überflutet. Gleichzeitig erfolgen Entscheidungen über deren Adoption häufig subjektiv und trendgetrieben und blenden strategische Perspektiven aus, wodurch Vorhaben in Pilotphasen steckenbleiben und nicht ihr gesamtes Potenzial entfalten können (Estrada 2025; Haefner et al. 2023).
Auch in der Wissenschaft mangelt es bislang an einer integrierten Gesamtsicht. Zwar beschäftigt sich ein umfassender Korpus wissenschaftlicher Literatur schon Jahrzehnte mit Teilfragmenten zur Wertschöpfung aus Daten wie Business Analytics, datengetriebene Geschäftsmodelle und Datenmonetarisierung (Kakuschke 2024). Arbeiten, die eine übergeordnete Perspektive einnehmen, und strategische mit direkt wertschöpfenden Aspekten umzusetzender Use Cases verbinden, bleiben jedoch unterrepräsentiert. Entsprechend fokussieren wir uns auf die Wertschöpfung aus Daten, die wir umfassend definieren als die Umwandlung des potenziellen Werts von Daten- oder Informationsobjekten in einen tatsächlichen Mehrwert für Organisationen durch deren Austausch oder Nutzung (Kakuschke 2024).
Wissenschaftlicher Ansatz und Ziel der Wertschöpfung aus Daten und AI
Das Competence Center Future Financial Services des Business Engineering Institute St. Gallen verfolgt im Rahmen des Konsortialforschungsansatzes nach Österle und Otto (2010) und des Design Science Research (DSR) Paradigmas nach Hevner (2007) die Entwicklung wissenschaftlicher Lösungen für relevante Problemstellung aus der Praxis.
Eine Kooperation zwischen 12 Unternehmen aus der Finanzindustrie im DACH-Raum und Wissenschaftsvertretern hat sich das gemeinsame Ziel gesetzt, Unternehmen zur strategischen Wertschöpfung aus Daten und AI zu unterstützen. Auf Basis rigoroser wissenschaftlicher Methoden wie systematischer Literaturanalysen, Experteninterviews und Fokusgruppenmeetings werden drei Lösungsartefakte erstellt, die dieses Ziel erreichen (siehe nachstehende Grafik). In mehreren Zyklen wurden über die letzten drei Jahre die Artefakte entworfen und bereits in über 10 mehrtägigen Workshops vorgestellt, diskutiert sowie mit den Praxispartnern angewendet und verfeinert.
Die Forschungsagenda adressiert drei Kernfragen: Wie entwickeln Organisationen eine tragfähige Data und AI Strategy? Welche Möglichkeiten haben sie, um Wert aus Daten zu schaffen? Und wie kann aus diesen Optionen ein passendes Use Case Portfolio zur Umsetzung ausgewählt werden?

Artefakt 1: Data Strategy Architecture
Die Data Strategy Architecture spezifiziert, welche Elemente eine Daten- und AI-Strategie umfasst und wie sie erarbeitet wird (zu durchlaufender Workflow). Dabei werden die Elemente der Strategie anhand von drei Ebenen strukturiert: Elemente der strategischen Ausrichtung, auszuführende Handlungsfelder inklusive eines koordinierten Use Case Portfolios sowie Elemente der Strategieumsetzung. Zentral ist die Dualität von Daten- und AI-Strategien, die direkt wertschöpfende Aspekte (offensive Ausrichtung) wie innovative Use Cases mit Aspekten zu Sicherheit, Compliance und Vertrauen (defensive Ausrichtung) verzahnt.
In der zukünftigen Weiterentwicklung des Artefakts sollen die Strategiebausteine detailliert werden, sodass ein umfänglicher Strategy-Canvas für unsere Partner bereitsteht. Anschliessend wird der Canvas mit unseren Partner zur Strategieentwicklung und -revision angewendet und weiter verfeinert.
Artefakt 2: Data Value Creation Matrix und Ideation Patterns
Die Data Value Creation Matrix (siehe diesen Blogbeitrag) strukturiert den Möglichkeitsraum, wie Unternehmen aus Daten und AI Mehrwert schaffen können. So kann der strategische Wert von Daten durch verschiedenste Opportunitäten wie Effizienz- und Qualitätssteigerung in Prozessen, Produkt- und Service-Innovationen bis hin zum Austausch und der direkten Monetarisierung von Daten mit Kunden, Lieferanten und weiteren Stakeholdern realisiert werden (Kakuschke 2024). Mithilfe zweier Achsen: Wertobjekte (Daten vs. Informationen) und Werttypen (Use intern vs. Exchange extern) entstehen vier Quadranten in der Matrix, die die strategische Positionierung der Wertschöpfung aus Daten für Unternehmen unterstützt (siehe nachfolgende Grafik).

Zur besseren praktischen Anwendbarkeit des Modells haben wir die Quadranten zu 10 Optionen und insgesamt 30+ Use Case Patterns detailliert (in der Abbildung ausgespart). Auf Basis dieser Use Case Patterns wurden Ideation Cards designt, die für jedes Pattern eine detaillierte Beschreibung sowie mindestens zwei reale Use Cases aus der Finanzindustrie und darüber hinaus hinterlegt haben. Mit Hilfe dieser Karten können Unternehmen nun neue Use Cases für sich ableiten (Ideation Prozess) sowie anhand einer White-Spot-Analyse zukünftiges Potenzial zur Wertschöpfung aus Daten identifizieren.
Die Data Value Creation Matrix inklusive der Ideation Cards wurden bisher mehrfach in Fokusgruppenmeetings verprobt und weiter verfeinert sowie direkt durch einen grossen Schweizer IT-Provider zur Identifikation neuer Use Cases angewendet. Weitere Anwendungen der Matrix sind in Planung.
Artefakt 3: Assessment Framework für Data und AI Use Cases
Im Assessment Framework (siehe diesen Blogbeitrag) werden relevante Kriterien für die Bewertung und Priorisierung von Use Cases systematisiert (siehe nachstehende Abbildung). Dabei werden 38 Kriterien (nicht abgebildet) hierarchisch in 11 Gruppen über 4 Dimensionen organisiert. Wichtig ist, dass Data und AI Use Cases nicht ausschliesslich anhand ihrer technologischen Machbarkeit bewertet werden, sondern auf Basis einer umfänglicheren Betrachtung, die den Einsatz im realen Unternehmensalltag widerspiegelt. Entsprechend gilt es für die Eignung von Use Cases zu berücksichtigen, ob diese für das einführende Unternehmen grundsätzlich erwünscht sind (auf Basis der strategischen Passung und der Adressierung eines Nutzendenproblems oder -needs), ob der Case technologisch und organisatorisch umsetzbar ist, ob der Aufwand dessen Nutzen übersteigt, und schliesslich, ob der Case weiteren Rahmenfaktoren wie Compliance, Ethik und Nachhaltigkeit genügt (Kakuschke et al. 2025). Besonderen Fokus legt das Assessment Framework auf die Bewertung von gänzlichen Use Case Portfolios, in denen Abhängigkeiten und Synergien zwischen einzelnen Use Cases berücksichtigt werden.

Auch das Assessment Framework wurde bereits mehrfach in Fokusgruppenmeetings verprobt und zusätzlich bei einer Schweizer Bank und einem Schweizer IT-Provider zur Priorisierung existierender und geplanter Data und AI Use Cases angewendet.
Zusätzlich wurde auf Basis des erarbeiteten Modells im Rahmen des Hackathons «BärnHäckt» ein klickbarer Software-Prototyp entwickelt, der Unternehmen bei der Entscheidung zur Auswahl eines passenden Data und AI Use Case Portfolios unter Berücksichtigung der Framework-Kriterien, Use Case Abhängigkeiten und einzuhaltendem Gesamtbudget unterstützt.
Nutzen für Praxis und Wissenschaft
Die drei im Rahmen des Forschungsbereichs Wertschöpfung aus Daten und AI entwickelten Artefakte sind als eigenständige Tools konzipiert, können aber, um die grösstmögliche Wirkung zu erzielen, gemeinsam eingesetzt werden. Entsprechend kann mithilfe der Data Strategy Architecture das Zielbild und einzuhaltende Prinzipien zur Wertschöpfung aus Daten konstruiert werden, die den Anknüpfungspunkt zur Unternehmens- und Digitalstrategie bildet. Die Data Value Creation Matrix visualisiert den Möglichkeitsraum der Handlungsoptionen und strukturiert strategische Positionierungsmöglichkeiten zur Wertschöpfung sowie die Use Case Ideation. Das Assessment Framework hilft bei der Entwicklung detaillierter Use Cases aus initialen Ideen und unterstützt strukturierte Investitionsentscheidungen im Rahmen eines übergeordneten Use Case Portfolios.
Entsprechend werden Daten und deren Nutzung im Rahmen unseres Forschungsprogramms in eine strategische Managementperspektive gehoben und unterschiedliche Verständnisse der Data Value Creation harmonisiert. Anstatt Initiativen als isolierte Projekte zu behandeln, analysieren wir sie im systemischen Kontext und verbinden die strategische Perspektive mit der Sicht eines umzusetzenden Use Case Portfolios. So unterstützen wir Unternehmen, sich auf die wirkungsvollsten Data und AI Initiativen im Rahmen einer abgestimmten Strategie zu fokussieren und schliesslich den aus Daten zu ziehenden Wert zu steigern.
Das insgesamt 3,5 Jahre andauernde Forschungsprojekt geht mit einem Research Visit am ARC Training Centre for Information Resilience (CIRES) der University of Queensland, Australien ab Oktober 2025 in die finale Phase. Mit Einreichen meiner Dissertation und anschliessender Disputation im ersten Halbjahr 2026 endet dieses Forschungsprojekt. Hier werden die theoretischen Grundlagen der beschriebenen Artefakte gefestigt und die Frameworks mit weiteren Praxispartnern angewendet. Im Competence Center Future Financial Services wird gleichzeitig ein neues Forschungsprojekt im Bereich Data & AI lanciert.
Wenn Sie Interesse an einem weiterführenden Austausch zu den Forschungsthemen haben, kontaktieren Sie mich gern unter nick.kakuschke@bei-sg.ch.
Referenzen
Estrada, S. 2025. “MIT Report: 95% of Generative AI Pilots at Companies Are Failing,” Fortune. (https://fortune.com/2025/08/18/mit-report-95-percent-generative-ai-pilots-at-companies-failing-cfo/, accessed August 26, 2025).
Gartner. 2018. “Gartner Survey of More Than 3,000 CIOs Reveals That Enterprises Are Entering the Third Era of IT,” Gartner, , October 16. (https://www.gartner.com/en/newsroom/press-releases/2018-10-16-gartner-survey-of-more-than-3000-cios-reveals-that-enterprises-are-entering-the-third-era-of-it, accessed October 24, 2024).
Grover, V., Chiang, R. H. L., Liang, T.-P., and Zhang, D. 2018. “Creating Strategic Business Value from Big Data Analytics: A Research Framework,” Journal of Management Information Systems (35:2), pp. 388–423. (https://doi.org/10.1080/07421222.2018.1451951).
Haefner, N., Parida, V., Gassmann, O., and Wincent, J. 2023. “Implementing and Scaling Artificial Intelligence: A Review, Framework, and Research Agenda,” Technological Forecasting and Social Change (197), p. 122878. (https://doi.org/10.1016/j.techfore.2023.122878).
Hevner, A. R. 2007. “A Three Cycle View of Design Science Research,” Scandinavian Journal of Information Systems (19:2), pp. 87–92.
IBM. 2023. “IBM Global AI Adoption Index – Enterprise Report,” IBM Newsroom, , September. (https://newsroom.ibm.com/2024-01-10-Data-Suggests-Growth-in-Enterprise-Adoption-of-AI-is-Due-to-Widespread-Deployment-by-Early-Adopters, accessed October 24, 2024).
Kakuschke, N. 2024. “Data Value Creation Matrix — Options for Organizations to Create Value from Data,” ECIS 2024 Proceedings (9). (https://aisel.aisnet.org/ecis2024/track07_busanalytics/track07_busanalytics/9).
Kakuschke, N., Legner, C., and Jung, R. 2025. “Creating Value from Data the Right Way – A Framework for Assessing Data Value Creation Use Cases,” Proceedings of the 58th Hawaii International Conference on System Sciences. (https://hdl.handle.net/10125/109535).
Legner, C., Pentek, T., and Otto, B. 2020. “Accumulating Design Knowledge with Reference Models: Insights from 12 Years’ Research into Data Management,” Journal of the Association for Information Systems (21:3). (https://doi.org/10.17705/1jais.00618).
Österle, H., and Otto, B. 2010. “Consortium Research,” Business & Information Systems Engineering (2:5), pp. 283–293. (https://doi.org/10.1007/s12599-010-0119-3).
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