
Die richtigen Daten und AI Use Cases finden – Das Assessment Framework
Dieser Blogbeitrag basiert auf der wissenschaftlichen Publikation «Creating Value from Data the Right Way – A Framework for Assessing Data Value Creation Use Cases» (Kakuschke et al., 2025).
Vorgeschlagene Zitation: Kakuschke, N., Legner, C., & Jung, R. (2025). Creating Value from Data the Right Way—A Framework for Assessing Data Value Creation Use Cases. Proceedings of the 58th Hawaii International Conference on System Sciences. https://hdl.handle.net/10125/109535
Künstliche Intelligenz (AI) und insbesondere generative AI (GenAI) ist in aller Munde. Nahezu täglich werden Mitteilungen veröffentlicht, in denen sich BigTechs und weitere AI-Provider versuchen, mit grösseren, schnelleren und besseren Modellen und Funktionen im Bereich Text, Bild, Audio und Videoerstellung zu übertreffen. Die Wichtigkeit dieser Entwicklungen für Unternehmen lässt sich ebenso nicht von der Hand weisen, da die technologischen Entwicklungen in der Lage sind, die Art und Weise wie wir arbeiten und kommunizieren zu revolutionieren und das globale Bruttoinlandsprodukt signifikant zu steigern (Feuerriegel et al., 2024; Goldman Sachs, 2023). Abseits des Hype sind sich Führungskräfte bereits seit geraumer Zeit einig, dass Daten und deren Analysen (wie beispielsweise durch AI) eine wesentliche Rolle bei der Transformation ganzer Geschäftsmodelle spielen (Gartner, 2018) und als Investitionsschwerpunkt von Unternehmen weltweit betrachtet werden (IBM, 2023).
Jedoch haben bis dato viele Unternehmen Schwierigkeiten ihre Daten- und AI-Aktivitäten erfolgreich zu implementieren, beispielsweise aufgrund fehlender Skalierung in der Organisation oder gänzlichem Scheitern der Projekte (Haefner et al., 2023). Diese begrenzte Wertschöpfung ist begründet in einer Vielzahl von Herausforderungen von technologischer, aber auch organisatorischer Seite, wodurch aus dem Potenzial der Nutzung von Daten sogar eine Belastung für Unternehmen werden kann (Breidbach & Maglio, 2020). Aufgrund der Komplexität der zu berücksichtigenden Perspektiven stehen Unternehmen immer wieder vor der Herausforderung die spezifischen Use Cases zu identifizieren, die am besten für sie geeignet sind und das meiste Wertpotenzial versprechen, egal ob klassische AI, GenAI oder Datenverkauf.
Entsprechend ist es ein Forschungsschwerpunkt des Competence Center Future Financial Services (CC FFS) Unternehmen Orientierungshilfen zur Wertschöpfung aus Daten und AI zu geben. Dieser Blogbeitrag widmet sich den Entscheidungsfaktoren, die die Wahl der richtigen Daten und AI Use Cases unterstützen und stellt Auszüge aus einem wissenschaftlichen Paper vor, das im Rahmen der Forschung des CC FFS verfasst wurde (siehe Kakuschke et al., 2025).
Entscheidungen für die richtigen Daten und AI Use Cases – Das Assessment Framework
Um erfolgreiche Entscheidungen zur Auswahl der richtigen Use Cases treffen zu können, ist zunächst ein grundlegendes Verständnis der Wertschöpfung aus Daten notwendig. Hierbei gehen wir davon aus, dass sowohl Datenobjekte im Sinne von Rohmaterialien bspw. als Bits und Bytes in Computersystemen sowie Informationen als analysierte und in Kontext gesetzte Daten wertvolle Assets für Unternehmen sind. Beide Objekttypen können sowohl durch deren Nutzung im Unternehmen, beispielsweise zur Entscheidungsunterstützung, der Prozessautomatisierung oder dem Zuschneiden von Marketingkampagnen auf Kunden, sowie durch deren Austausch, beispielsweise durch Verkauf oder Bereitstellung an Supply Chain-Partner, Werte erzeugen können (Kakuschke, 2024). Diese Perspektive ermöglicht die Vergleichbarkeit unterschiedlichster Use Cases im Rahmen der Data Value Creation für Unternehmen (siehe hierzu diesen Blogpost).
Anschliessend kann sich auf Basis des einheitlichen Verständnisses der Bewertung aufkommender Use Cases gewidmet werden. Zur Strukturierung orientieren wir uns hierbei an einem existierenden Framework aus dem Design Thinking, mit dem Innovationsprojekte gegeneinander abgewogen werden können (Brenner et al., 2021; Chasanidou et al., 2015). Dieses basiert auf den drei Hauptdimensionen Desirability (Wünschbarkeit), Feasibility (Machbarkeit) und Viability (wirtschaftliche Tragfähigkeit), die von relevanten und damit schliesslich umzusetzenden Projekten vereint werden müssen. Übertragen auf Daten und AI Use Cases (AI wird als Methode zur Analyse von Daten gesehen. Entsprechen betrachten wir hier ebenso Analytics und AI Cases, bei denen Daten zur Wertschöpfung analysiert werden, wie auch «einfache» Daten Cases, bei denen Unternehmen bspw. Rohdaten untereinander austauschen oder verkaufen) hilft diese Struktur die Vielzahl zu berücksichtigender Bewertungskriterien zu kategorisieren und die Komplexität im Entscheidungsprozess zu reduzieren. In der nachfolgenden Grafik werden die entscheidungsrelevanten Faktoren zur Bewertung von Daten und AI Use Cases visualisiert (Hinweis: Diese Faktoren entsprechen gebündelten Kategorien von insgesamt 36 identifizierten Kriterien, die in der ursprünglichen Publikation beschrieben werden.).

Desirability
Im Rahmen der Desirability müssen Unternehmen zu Beginn des Planungs- und Entscheidungsprozesses zunächst grundlegend abwägen, ob ein übergeordneter Bedarf für den betrachteten Daten und AI Use Case besteht. Diese Bewertungsdimension stellt sicher, dass der geplante Use Case ein reales Business Problem adressiert und hilft beispielsweise aufkommende Daten und AI Hypes in Bezug auf deren Relevanz zum eigenen Unternehmen zu betrachten. Hierbei sollten zwei Entscheidungsfaktoren berücksichtigt werden:
I. Strategische Übereinstimmung: Passt der Daten und AI Use Case zur Strategiehierarchie des Unternehmens (Corporate, Digital, IT, Daten- und AI Strategie usw.)?
II. Bedarf: Existiert eine relevante Nachfrage nach dem Use Case oder werden bestehende Herausforderungen, intern wie auch extern, adressiert?
Feasibility
Nachdem der Use Case relevant und wünschenswert ist, muss dieser weiterführend in die Gegebenheiten des eigenen Unternehmens eingebunden werden. Zahlreiche (AI) Use Cases stellen Unternehmen vor umfassende Herausforderung bei deren Implementierung, wodurch in einem nächsten Schritt die generelle technische und organisatorische Umsetzbarkeit in die Entscheidung einbezogen werden muss. Hierbei müssen die folgenden Faktoren betrachtet werden:
III. Technische Realisierbarkeit: Sind die für den Use Case notwendigen Daten in ausreichender Qualität verfügbar und stehen die grundlegenden Technologien wie benötigte Modelle und Funktionen zur Verfügung?
IV. Komplexität: Ist das Projekt in vertretbarem Komplexitäts- und Zeitaufwand umsetzbar?
V. Mitarbeitendenfähigkeiten: : Verfügt das Unternehmen (involvierte Abteilungen) über die notwendige Datenkompetenz, technologische Expertise und Geschäftsverständnis zur Realisation des Use Case?
VI. Data Governance: Sind notwendige Governance-Mechanismen wie Rollen und Verantwortlichkeiten, Prozesse und kulturelle Elemente zur Umsetzung des Use Case im Unternehmen vorhanden?
VII. Risiken: Wie hoch sind mit dem Use Case einhergehende Risiken wie ein Scheitern des Projekts oder Data Security Aspekte?
Viability
Nachdem die Desirability und Feasibility eines Use Case sichergestellt wurden, muss schliesslich betrachtet werden, ob dieser als tragfähiger Business Case ausgestaltet werden kann. Im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse sind zu betrachten:
VIII. Nutzen: Welche Vorteile lassen sich durch den Use Case realisieren? Wichtig ist hierbei eine holistische Perspektive, die neben monetären Benefits ebenso weitere Aspekte wie Risikoreduktionen oder entstehende Aussenwirkung (Signaling) einbezieht.
IX. Kosten: Welche Kosten fallen im Rahmen des Use Case an? Ebenso wie bei der Nutzenbetrachtung sollten Kosten umfassend entlang des gesamten Prozesses der Wertschöpfung einbezogen werden.
Rahmenparameter
Über diese drei zentralen Dimensionen hinausgehend, die primär das eigene Unternehmen betreffen, müssen bei der geplanten Einführung von Daten und AI Use Cases weiterhin externe Einflussfaktoren berücksichtigt werden, die deren Realisierung oder Nutzendenadoption massgeblich einschränken können:
X. Externer Einfluss: Kann das Projekt unter Einhaltung gesetzlicher und unternehmensinternen Compliance-Vorgaben umgesetzt werden und ist die geplanten Anwendungen ethisch vertretbar und gesellschaftlich akzeptiert?
Praktische Anwendung des Assessment Framework
Das entwickelte Bewertungsmodell bietet Unternehmen eine umfassende Übersicht zu den Entscheidungsrelevanten Faktoren für die Adoption spezifischer Daten und AI Use Cases. Anhand des Modells lassen sich Entscheidungen im Rahmen einer Nutzwertanalyse beispielsweise in Workshop-Settings fundierter treffen und werden vergleichbar mit unterschiedlichsten Use Cases aus Data Analytics oder (Gen)AI. Zudem hilft das Modell, Entscheidungen gegenüber internen Stakeholdern beispielsweise aus dem Management sowie externen Stakeholdern wie Unternehmenspartnern nachvollziehbar zu kommunizieren. Schliesslich können Unternehmen somit Prioritäten bei Daten und AI Use Cases setzen und ihre Ressourcen gezielter einsetzen.
Um die Komplexität bei der Bewertung für jedes Unternehmen auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen, ist das Modell hierarchisch aufgebaut, sodass für initiale Entscheidungen auf Basis der Dimensionen Desirability, Feasibility, Viability und der Rahmenparameter entschieden werden kann. Für komplexere Cases mit hohem Potenzial und gravierenden Auswirkungen auf das Unternehmen kann die Bewertung ebenso auf Ebene der hier vorgestellten Faktoren oder sogar anhand aller über 30 Kriterien vorgenommen werden. Zur einfachen Handhabung des Modells hat das CC FFS ein anwendbares Bewertungstool auf Basis des Modells erstellt, das für unterschiedlichste Use Cases befüllt werden kann, um deren Eignung für das eigene Unternehmen zu identifizieren.
Wenn Sie Interesse hieran oder anderen Themen des Forschungsbereichs Data & AI Value Creation haben, können Sie mich unter nick.kakuschke@bei-sg.ch kontaktieren.
Referenzen
Breidbach, C. F., & Maglio, P. (2020). Accountable algorithms? The ethical implications of data-driven business models. Journal of Service Management, 31(2), 163–185. https://doi.org/10.1108/JOSM-03-2019-0073
Brenner, W., van Giffen, B., & Koehler, J. (2021). Management of Artificial Intelligence: Feasibility, Desirability and Viability. In S. Aier, P. Rohner, & J. Schelp (Hrsg.), Engineering the Transformation of the Enterprise: A Design Science Research Perspective (S. 15–36). Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-030-84655-8_2
Chasanidou, D., Gasparini, A. A., & Lee, E. (2015). Design Thinking Methods and Tools for Innovation. In Design, User Experience, and Usability: Design Discourse. Lecture Notes in Computer Science. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-319-20886-2_2
Feuerriegel, S., Hartmann, J., Janiesch, C., & Zschech, P. (2024). Generative AI. Business & Information Systems Engineering, 66(1), 111–126. https://doi.org/10.1007/s12599-023-00834-7
Gartner. (2018, Oktober 16). Gartner Survey of More Than 3,000 CIOs Reveals That Enterprises Are Entering the Third Era of IT. Gartner. https://www.gartner.com/en/newsroom/press-releases/2018-10-16-gartner-survey-of-more-than-3000-cios-reveals-that-enterprises-are-entering-the-third-era-of-it
Goldman Sachs. (2023, April 5). Generative AI could raise global GDP by 7%. Generative AI Could Raise Global GDP by 7%. https://www.goldmansachs.com/insights/articles/generative-ai-could-raise-global-gdp-by-7-percent
Haefner, N., Parida, V., Gassmann, O., & Wincent, J. (2023). Implementing and scaling artificial intelligence: A review, framework, and research agenda. Technological Forecasting and Social Change, 197, 122878. https://doi.org/10.1016/j.techfore.2023.122878
IBM. (2023, September). IBM Global AI Adoption Index—Enterprise Report. IBM Newsroom. https://newsroom.ibm.com/2024-01-10-Data-Suggests-Growth-in-Enterprise-Adoption-of-AI-is-Due-to-Widespread-Deployment-by-Early-Adopters
Kakuschke, N. (2024). Data Value Creation Matrix—Options for Organizations to Create Value from Data. ECIS 2024 Proceedings, 9. https://aisel.aisnet.org/ecis2024/track07_busanalytics/track07_busanalytics/9
Kakuschke, N., Legner, C., & Jung, R. (2025). Creating Value from Data the Right Way—A Framework for Assessing Data Value Creation Use Cases. Proceedings of the 58th Hawaii International Conference on System Sciences. https://hdl.handle.net/10125/109535