Impact innovativer Technologien auf Business Ecosystems

Eine kritische Spurensuche durch Netzwerke und Business Ecosystems mit Fokus auf die Finanzindustrie

Technologische Innovationen waren schon immer Katalysatoren gesellschaftlicher Umbrüche – doch nie zuvor haben Business Ecosystems bzw. Netzwerke unterschiedlicher Unternehmen und ihre Rolle zur Integration verschiedenster Services und Produkte so sichtbar im Mittelpunkt gestanden. Ob wir kontaktlos bezahlen, Chatbots befragen oder virtuelle Welten betreten. In der Regel basieren Netzwerke bzw. Business Ecosystems auf Plattformen, welche ein wichtiger Bestandteil zur Orchestrierung der Wertschöpfung sind. Plattformen sind zweckgebündelte organisationale und transaktionale Infrastrukturen (Module und Schnittstellen) von Business Ecosystems. Zu den Grundlagen von Business Ecosystems finden Sie hier einen Blogbeitrag: Grundlagen Business Ecosystems | cc-bei.news.

Eine Veränderung wesentlicher technologischer Grundlagen hat über die Plattform häufig einen Einfluss darauf, wie sich die Geschäftsmodelle der Business Ecosystems verändern. Ein Beispiel dafür ist der netzwerksensitive Content – KI‑Algorithmen passen Angebote dynamisch an kollektive Verhaltensmuster an.

Das Paradoxe dabei: Während die Zahl verbundener Geräte und Dienste exponentiell wächst, schrumpft der wahrgenommene Aufwand des Nutzers auf wenige Fingertipps oder einen Sprachbefehl. Internet of Things, Künstliche Intelligenz, Distributed Ledger Technology und das sich formierende Metaverse wirken dabei wie Turbolader – sie vernetzen nicht nur Objekte, sondern auch Märkte, Communities und ganze Geschäftsmodelle. Im folgenden Blogbeitrag skizziere ich einige Gedanken, welchen Impact innovative Technologien und Daten auf die technologische Basis (Plattformen) von Business Ecosystems haben.

Ausgangsbasis sind Daten, die mittels verschiedener Technologien über Plattformen zirkulieren, Mehrwert generieren – und neue Abhängigkeiten schaffen. Dabei verändern die vier o.g. Schlüsseltechnologien das Geflecht der digitalen Interaktionen und damit auch die dahinterliegenden Geschäftsmodelle.

Die Logik der Daten: Von Digitization zur Information Value Chain

Am Anfang steht die Digitization – die digitale Repräsentation physischer Objekte und Ereignisse. Sie schafft digitale Daten, die als Rohmaterial entlang der fünf Stufen der Information Value Chain Wert schaffen: Data Collection, Data Storage, Data Processing & Analytics, Presentation & Distribution und Information Use (Davenport, T. H. 1993, Process Innovation: Reengineering Work through Information Technology, Harvard Business School Press).

Jede dieser Stufen unterliegt derzeit einer eigenen exponentiellen, aber synchron laufenden Kosten- und Leistungskurve. Das multipliziert die Wirkung; günstige Sensoren wären wenig wert, gäbe es nicht zugleich preiswerte Cloud-Terabyte und KI-Algorithmen, die Sinn aus dem Rauschen destillieren. Für Unternehmen heißt das: Wertschöpfung verschiebt sich vom physischen Produkt zu informationsbasierten Services.  

Internet of Thing (IoT): Vernetzte Dinge, vernetzte Geschäftsmodelle

Kevin Ashton prägte 1998 den Begriff Internet of Things (IoT) mit der Vision, Menschen und Objekte jederzeit, überall und über jedes Netz zu verbinden (Web Semantics: the Internet of Things | WIRED). 25 Jahre später sind wir dem Ziel näher denn je – von 2024 bis 2029 wird ein Wachstum des IoT-Volumens von fast 20% erwartet (Internet of Things (IoT) Market Share, Forecast | Growth Analysis and Trends Report [2032])

Es gibt zahlreiche Praxisbeispiele, z.B. das «Beacon-Banking» . Beacon Banking ist ein Konzept, bei dem Banken die Beacon-Technologie nutzen, um Kunden in Echtzeit personalisierte Angebote oder Informationen über ihr mobiles Gerät zu senden, basierend auf ihrer Nähe zu einem physischen Standort der Bank. So erkennen Barclays-Filialen Kunden mit besonderen Bedürfnissen, noch bevor sie die Tür betreten und informieren die Bankmitarbeitenden zwecks Hilfestellung z.B. beim Zugang zur Bank über eine Rampe (Barclays taps beacons to streamline bank visits for disabled customers | Retail Dive).Darüber hinaus  werden auch wir zukünftig häufiger Kommandos an digitale Assistenten hören, wie beispielsweise an Tankstellen „Alexa, pay for gas“ (Alexa, Pay for Gas | Vimeo). Dies illustriert, wie IoT und Voice Commerce verschmelzen.

Doch das glänzende Bild hat Risse: mangelnde Interoperabilität, Datenüberlastung und nicht zuletzt Cyber-Security sind grosse Herausforderungen für die anbietenden Unternehmen, aber im Kontext der Security auch für die Kunden. Passwörter, Kreditkarten-Infos, Standortdaten – je mehr wir Technik vernetzen, desto größer wird die Angriffsoberfläche. Regulierung und Haftungsfragen hängen wie Damoklesschwerter über jedem IoT-Roll-out, besonders im Finanzsektor. Der IoT-Erfolg entscheidet sich nicht allein anhand der Sensorpreise, sondern daran, wer die relevanten Standards setzen kann und Vertrauen herstellt.

Artificial Intelligenz (AI): Wenn Algorithmen Wertschöpfung neu ordnen

Die Definition von AI verändert sich laufend, während früher Maschine Learning als AI galt, wird von AI-Expert*innen häufig AI als « Maschine Learning + x» genannt. Dies wird auch als AI-Effekt beschrieben und korrigiert Definitionen, sobald neue Meilensteine geschaffen werden. Die Finanzindustrie nutzt seit den 80er Jahren aktiv Maschine Learning, z.B. für die Fraud Detection. Einen enormen Schub hat das Aufkommen von Gen AI gegeben. Seitdem sind enorme Effizienzgewinne zu beobachten. So spart JP Morgan COIN jährlich 360.000 Stunden juristische Dokumentensuche durch Nutzung von Large Language Models (Case Study: JPMorgan Chase’s Contract Intelligence (COiN) platform for Document Analysis | LinkedIn

Trotzdem bleiben Hürden: fehlende oder qualitativ schlechte Daten, die fehlende Bereitschaft im Unternehmen AI zu integrieren (Corporate Mindset), rechtliche Grauzonen und die schlichte Angst vor Kontrollverlust. Ebenso ist nicht-vorhandene bzw. sich verändernde Regulierung ein Stolperstein. Aber auch mögliche lock-in-Effekte und geopolitische Risiken lassen Unternehmen sehr genau darüber nachdenken, wen sie als Lösungsanbieter auswählen. AI ist daher kein Wundermittel, sondern verlangt disziplinierte Datenhygiene, klare Governance und ein Bewusstsein für den dynamischen Rahmen, in dem sich „Intelligenz“ immer wieder neu definiert.

Distributed Ledger Technology (DLT) als Werkzeug dezentraler Vertrauensgenerierung

Zahlreiche Ansätze zur Nutzung von DLT sind in der Praxis zu beobachten. Dazu zählt das enorme Angebot an tokenisierten Assets. Von Gold-Tresor-NFT bis zum Whisky-Token – physische Werte erhalten digitale Zwillinge, handelbar in Mikrostückelungen. Daneben werden aber auch ganze Prozesse auf der Blockchain abgewickelt. Dazu zählt bspw. der Katastrophen-Swap der Allianz – Prozesse, die früher Tage dauerten, laufen in Minuten oder Sekunden (Allianz Risk Transfer und Nephila realisieren Katastrophen-Swap mit Blockchain-Technologie | Allianz).

Der höchste Anteil der Aktivitäten entfällt aber auf Crypto Currencies. Zahlreiche Banken verwahren diese Assets mittlerweile, auch wenn die Beratung immer noch von deutlich weniger Instituten angeboten wird, vermutlich aufgrund der Haftungsrisiken.

Doch wo Werte in Sekunden handelbar sind, blüht die Memecoin-Volatilität: Ein Tweet des US-Präsidenten kann Kurse in astronomische Höhen katapultieren – oder ins Bodenlose stürzen. Unternehmen sehen sich Reputationsrisiken ausgesetzt, wenn Partnerbörsen kollabieren oder Private Keys verlorengehen. Interoperabilität verschiedener Netzwerke und effektive Kundennachfrage bleiben offene Baustellen. Unabhängig davon kann DLT als Werkzeug zur Prozessoptimierung via Programmable Payments gesehen werden. Sein gesellschaftlicher Nutzen hängt davon ab, wer Standards setzt und welche Anwendungsfälle Mehrwert kreieren, die auch direkt bei Endnutzern ankommen.

Metaversen: Der Hype scheint aktuell durch den Hype um Gen AI abgelöst

Virtuelle Welten gibt es seit Second Life 2003 (What Is Second Life? A Brief History of the Metaverse | MUO). Neu ist, dass nun VR/AR-Hardware, 5G-Netze, Blockchain-Economics und Creator-Tools eine gemeinsame Plattform versprechen. Die weltweiten Lieferungen von AR/VR-Headsets sollen bis 2028 auf 22,9 Millionen Einheiten ansteigen, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 38,6 % entspricht (VR and AR headsets demand set to surge on AI, lower costs, IDC says | Reuters). Aber Geräte allein machen noch kein Metaverse. Aktuell fehlt eine Netzinfrastruktur, die immersive Inhalte für Millionen parallel streamt. Für die Zukunft scheinen sich aber drei Szenarien herauszukristallisieren:

  • Winner-takes-it-all: Ein zentrales Universum à la Meta
  • Hybrid-Cluster: Branchenspezifische Sub-Metaversen, z. B. für Gaming oder Arbeit
  • Web-Seiten-Analog: Jeder kann sein eigenes Mini-Metaversum hosten.

Noch kämpft die Branche mit Governance, Hardware-Kosten, Rechtsfragen und Content-Moderation. Ob und wie Metaversen zur nächsten Internet-Evolutionsstufe werden, entscheidet sich an offenen Standards, Netzneutralität und gesellschaftlicher Akzeptanz – nicht an der Zahl verkaufter Brillen.

Muster der digitalen Transformation

Quer durch alle Technologien tauchen ähnliche Veränderungsmuster auf:

  • Sinkende Grenzkosten: Kopien von Daten kosten (nahezu) nichts.
  • Ecosystem-Ökonomie: Orchestratoren dominieren Märkte, Peer-to-Peer verändert Machtbalance.
  • Branchenkonvergenz: Zahlungsdienste im Metaverse, Handel via IoT – Grenzen verschwimmen.
  • Personalisierung: AI verfeinert Angebote auf Mikro-Segmentebene.

Diese Muster wirken verstärkend: Je günstiger Transaktionen, desto mehr Daten; je mehr Daten, desto wirkmächtiger KI; Daten bzw. Eigentumsrechte und Vertragsbeziehungen können dezentral auf einer Blockchain gespeichert werden. Die gesamte Interaktion der Menschen findet unter Nutzung dieser Technologien immer stärker in immersiven Metaversen statt.

Wesentliche Aspekte der Plattformen von Business Ecosystems & Netzwerke

Quelle: Eigene Darstellung

Fazit: Wer gewinnt im Spiel der Technologien?

Innovative Technologien verändern das Zusammenspiel innerhalb von Netzwerken & Business Ecosystems radikal, indem sie technologische Plattformen zunehmend zu entscheidenden Knotenpunkten machen. Sie formen Netzwerke nicht mehr nur passiv, sondern aktiv und dynamisch:

  1. Plattformdominanz: Technologien wie IoT und KI stärken Plattformanbieter, indem sie Transaktionen und Kommunikation auf Plattformen bündeln. Wer Plattformen kontrolliert, bestimmt die Regeln der Netzwerke & Business Ecosystems.
  2. Netzwerkdynamik: Distributed Ledger Technologies verändern die Vertrauensstruktur und ermöglichen dezentrale Interaktionen – dies könnte die Rolle zentraler Plattformen langfristig in Frage stellen.
  3. Immersion und Interaktion: Das Metaverse hebt die Interaktivität innerhalb digitaler Netzwerke auf eine neue Ebene, indem es Nutzer in immersive, virtuelle Umgebungen zieht und neue soziale und wirtschaftliche Dynamiken schafft.

Um in dieser neuen Netzwerkökonomie erfolgreich zu sein, reicht es nicht aus, lediglich technologische Trends zu adaptieren. Unternehmen müssen strategisch entscheiden, auf welchen Plattformen sie aktiv werden, welche Standards sie unterstützen und wie sie langfristig Wertschöpfung und Einfluss sichern wollen. Entscheidend wird sein, Technologie nicht blind zu folgen, sondern sie aktiv und verantwortungsvoll zu gestalten.

Stefanie Auge-Dickhut