Web3 und die Zukunft des Internets: Chancen und Herausforderungen für die Finanzwelt (Teil II)

Wo wir im ersten Teil uns der Blockchain Technologie als Fundament von Web3 gewidmet haben, schauen wir uns nun weitere wichtige Element und praktische Implikationen des Web 3 Konzepts an.

Ein wichtiger Bestandteil von Web3 ist hierbei die Token Economy. Es werden nach dem Konzept physische oder digitale Werte in Form von Token auf der Blockchain abgebildet. Diese Token können verschiedene Funktionen erfüllen: Sie können als Zahlungsmittel dienen (wie Bitcoin), Eigentumsrechte darstellen (wie NFTs) oder Zugang zu bestimmten Dienstleistungen bieten [5].

Abbildung 3: Blockchain und Smart Contracts als neue Technologie für die Digitalisierung des Wertetransfers (eigene Darstellung)

Fungible und Non-Fungible Tokens (NFTs)

Diese neue Art der Tokenisierung ermöglicht es, reale und digitale Werte in einer Weise zu handeln, die vorher nicht möglich war. Nutzer können mit einem Wallet Token besitzen und direkt an Blockchain-basierten Plattformen teilnehmen, ohne auf Intermediäre angewiesen zu sein. Im Web3 gibt es verschiedene Ausprägungen von «Token», sodass sich heute eine Vielzahl an Varianten von Token je nach Eigenschaften mit jeweiliger Begrifflichkeit gebildet haben. Eine der bekanntesten Klassifizierung von Token ist die Unterscheidung nach ihrer Uniformität und Austauschbarkeit im Rahmen von Fungible und Non-Fungible Tokens [5].

Abbildung 4: Token können im Web3 verschiedenste Ausprägungen annehmen (eigene Darstellung)

Fungible Tokens: Diese Token sind untereinander austauschbar, wie z. B. Bitcoin oder Ether. Jeder Token hat den gleichen Wert wie ein anderer Token derselben Art [5].

Non-Fungible Tokens (NFTs): NFTs hingegen sind einzigartige Token, die nicht austauschbar sind. Sie werden häufig verwendet, um Besitzrechte an digitalen Kunstwerken, Sammlerstücken oder anderen digitalen Assets zu repräsentieren. Ein berühmtes Beispiel ist das NFT-Kunstwerk Everydays: The First 5000 Days des Künstlers Beeple, das im Jahr 2021 für über 69 Millionen US-Dollar versteigert wurde [5].

Dezentrale Applikationen (DApps): Die Zukunft des Internets

Im Web3 spielen Dezentrale Applikationen (DApps) eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zu traditionellen Apps, bei denen Backend und Daten auf zentralen Servern liegen, laufen Dapps auf der Blockchain. Dadurch wird nicht nur die Kontrolle dezentralisiert, sondern es entstehen auch neue Möglichkeiten der Interaktion und des Eigentumtransfers.[6]

Ein bekanntes Beispiel für eine erfolgreiche DApp ist CryptoKitties, ein Blockchain-basiertes Spiel, in dem Nutzer digitale Katzen sammeln, züchten und handeln können. Jede dieser Katzen ist ein einzigartiges NFT und kann nicht repliziert werden. Dieses Spiel veranschaulicht das Konzept der «digitalen Knappheit» im Web3: Digitale Güter können genauso einzigartig und wertvoll sein wie physische Gegenstände [7].

Abbildung 5: Bei einer DApp handelt es sich um eine Software, die auf einem dezentralen Peer-to-Peer Netzwerk aufgebaut ist und betrieben wird (eigene Darstellung)

Decentralized Finance (DeFi): Ein Paradigmenwechsel in der Finanzwelt

Ein weiteres Kernkonzept von Web3 ist Decentralized Finance (DeFi). DeFi zielt darauf ab, die traditionellen Finanzsysteme zu dezentralisieren und zu demokratisieren. Durch den Einsatz von Smart Contracts können Finanzdienstleistungen wie Kredite, Versicherungen oder Investments direkt zwischen Nutzern abgewickelt werden, ohne dass Banken oder andere zentrale Institutionen beteiligt sind. Ein typisches DeFi-Beispiel ist Lending & Borrowing. Hierbei können Nutzer ihre Krypto-Assets in einen sogenannten Lending Pool einbringen und dafür Zinsen in Form von Token erhalten. Kreditnehmer wiederum hinterlegen Sicherheiten und können Token leihen, ohne einen traditionellen Kreditgeber zu benötigen (https://cc-bei.news/was-steckt-hinter-dem-begriff-decentralized-finance).

Die Vorteile von DeFi liegen auf der Hand:

  • Erhöhter Zugang: Jeder mit einem Wallet kann an DeFi teilnehmen, was insbesondere für «unbanked» oder «underbanked» Populationen von Vorteil ist.
  • Niedrigere Kosten: Da keine zentralen Intermediäre nötig sind, sinken die Transaktionskosten.
  • Schnelligkeit: Transaktionen werden nahezu in Echtzeit ausgeführt, ohne Wartezeiten wie bei traditionellen Finanzsystemen.

Self-Sovereign Identity (SSI): Kontrolle über digitale Identitäten

Eine der grössten Neuerungen im Web3 ist das Konzept der Self-Sovereign Identity (SSI), das Nutzern vollständige Kontrolle über ihre digitale Identität gibt. Im Gegensatz zu zentralisierten Identitätssystemen, bei denen grosse Unternehmen oder Regierungen die persönlichen Daten der Nutzer speichern und verwalten, ermöglicht SSI, dass Identitäten dezentral und sicher auf der Blockchain gespeichert werden [8].

Viele Länder arbeiten bereits an der Entwicklung nationaler e-ID-Systeme, die es Nutzern ermöglichen, sich digital auszuweisen. Durch die Verknüpfung mit SSI und Blockchain können e-IDs nicht nur sicherer und vertrauenswürdiger werden, sondern auch die Privatsphäre der Nutzer besser schützen. Die Integration von e-ID mit SSI im Web3 könnte neue Möglichkeiten schaffen, wie sich Nutzer online identifizieren, ohne ihre Privatsphäre aufzugeben [9].

Potenzielle Vorteile von digitalen Web 3 Identitäten für die Finanzbranche

  • Datenschutz und Kontrolle: Nutzer entscheiden selbst, wem sie welche Informationen bereitstellen, was das Vertrauen in digitale Interaktionen stärken kann.
  • Effizienz in der Identitätsprüfung: Banken und Finanzdienstleister können Identitäten schneller und kosteneffizienter überprüfen, was die Abhängigkeit von zentralen Identitätsdatenbanken reduziert.
  • Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit: Die Blockchain-Technologie schützt Identitätsdaten vor Manipulation und Missbrauch, da Daten kryptografisch gesichert und unveränderbar gespeichert werden.
  • Minimierte Risiken für Datendiebstahl: Nutzer geben keine vertraulichen Daten bei jeder Online-Anmeldung preis, was das Risiko von Datendiebstahl reduziert.

Chancen und Herausforderungen für die Finanzbranche

Web3 stellt eine neue Phase der Internet-Entwicklung dar, die den Nutzern mehr Autonomie und Souveränität über ihre Daten und digitalen Identitäten ermöglicht. Die Finanzbranche könnte von dieser Dezentralisierung erheblich profitieren, sieht sich jedoch auch mit Herausforderungen konfrontiert.

Web3 verschafft den Nutzern die Kontrolle über ihre Daten zurück. Im Gegensatz zur zentralisierten Speicherung, beispielsweise bei grossen Big Tech Plattformen, die Daten verwalten, ermöglicht Web3 eine selbstbestimmte Verwaltung. Dies könnte das Vertrauen der Kunden in digitale Finanzdienstleistungen stärken, da sie wissen, dass ihre persönlichen Daten sicher und in ihrem Besitz bleiben. Für Banken bedeutet dies, dass sie ihre Rolle neu definieren müssen – nicht länger als alleinige Verwalter von Kundendaten, sondern als Partner in einem transparenten Netzwerk.

Die dezentrale Struktur bietet die Möglichkeit, bestehende Geschäftsmodelle zu optimieren und innovative Dienstleistungen zu entwickeln. Banken und Finanzdienstleister könnten durch die Nutzung von Smart Contracts und dezentralen Plattformen Transaktionskosten senken und Prozesse effizienter gestalten. Gleichzeitig müssen sie sich an ein Umfeld anpassen, in dem traditionelle Strukturen durch dezentrale Netzwerke ersetzt werden. Dies könnte neue Wettbewerber anziehen, die bereits auf diese Technologien setzen.

Trotz der potenziellen Vorteile bringt Web3 auch Unsicherheiten mit sich. Viele technische und regulatorische Fragen sind nach wie vor ungelöst. Die Skalierbarkeit und Benutzerfreundlichkeit von Web3-Technologien müssen verbessert werden, um eine breite Akzeptanz zu erreichen. Ebenso stellt die regulatorische Unsicherheit eine große Herausforderung dar, da es noch keine einheitlichen Standards für den Umgang mit dezentralen Systemen gibt.

Die Einführung von Web3 ist nicht nur eine Frage der Technologie, sondern auch ein Business Case. Banken und Finanzdienstleister müssen sorgfältig überlegen, wie sie sich in einem dezentralen Ecosystem positionieren wollen. Sie könnten eine Vorreiterrolle übernehmen, um innovative und nutzerfreundliche Finanzdienstleistungen auf Web3-Basis zu entwickeln. Eine gut durchdachte Web3-Strategie kann ihnen helfen, sich in einem sich wandelnden Marktumfeld zu behaupten und neue Zielgruppen zu erschließen. Gleichzeitig müssen sie ihre Rolle als vertrauenswürdige Institutionen beibehalten und gewährleisten, dass die neuen Technologien den hohen Sicherheitsstandards der Branche entsprechen.

Für Banken und Finanzdienstleister birgt Web3 sowohl Chancen als auch Herausforderungen:

Chancen:

  • Neue Geschäftsmodelle: Durch DeFi und die Token Economy können Finanzdienstleister innovative Dienstleistungen entwickeln, wie z. B. tokenisierte Wertpapiere oder dezentrale Kreditsysteme.
  • Effizienzsteigerungen: Smart Contracts und Blockchain ermöglichen die Automatisierung und Effizienzsteigerung vieler traditioneller Prozesse, wie etwa bei der Abwicklung von Wertpapiertransaktionen oder internationalen Zahlungen.
  • Datensouveränität: Web3 ermöglicht es den Nutzern, die Kontrolle über ihre Daten zurückzuerlangen, was insbesondere in Zeiten zunehmender Datenschutzanforderungen ein Vorteil für Banken sein könnte.

Herausforderungen:

  • Regulierung: Da viele Web3-Anwendungen ausserhalb der traditionellen Finanzinfrastruktur arbeiten, müssen noch viele rechtliche und regulatorische Fragen geklärt werden.
  • Skalierbarkeit: Web3-Technologien stehen noch vor der Herausforderung, mit der wachsenden Anzahl von Nutzern und Datenmengen Schritt zu halten.
  • Sicherheitsrisiken: Obwohl die Blockchain als sicher gilt, gab es bereits Hacks und Sicherheitsvorfälle in DeFi-Protokollen, die das Vertrauen der Nutzer erschüttern könnten.

Quellen:

[1] https://burstiq.com/web3-the-future-is-here-and-now/

[2] Shoshana Zuboff: The Age of Surveillance Capitalism (2019)

[3] https://elevatex.de/de/blog/web3-de/unterschied-zwischen-web1-web2-und-web3/ 

[4] www.blockwiki.org

[5] Roger Heines: The Tokenization of Everything: Towards a Framework for Understanding the Potentials of Tokenized Assets (2021)

[6] https://www.redappletech.com/what-is-web-3-0-use-cases-and-examples/

[7] https://medium.com/@Matzago/why-the-net-giants-are-worried-about-the-web-3-0-44b2d3620da5  

[8] https://www.fit.fraunhofer.de/content/dam/fit/de/documents/Fraunhofer%20FIT_SSI_Whitepaper.pdf [9] https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Krypto/Eckpunkte_SSI_DLT.html

Roger Heines